Kunst und Künstlichkeit
Los Angeles erfreut sich der langjährigen Unterstützung unzähliger Kunstmäzenen und Sammler. Millionäre wie J. Paul Getty, Armand Hammer und Eli Broad haben der Stadt Kunstwerke, Sammlungen und komplette Museen vermacht – die meisten von ihnen sind heute noch kostenlos zugänglich. Somit gibt es über die gesamte Stadt verteilt erstklassige Museen und Sammlungen zu sehen – sowie Kunstschätze, von denen andere Städte kaum zu träumen wagen.
Für mich als Kunststudenten ist dies ein Paradies: Ob Getty Center, LACMA, Moca, Hammer Museum, Getty Villa oder Pacific Design Center – eines dieser Häuser ist immer in der Nähe und lädt mit horizonterweiternder Kunst zum Verweilen.
Andererseits ist es die Stadt der grossen Gegensätze. Obdachlose lehnen an den palmengesäumten Boulevards mitten in Beverly Hills – Fettleibige und freiwillig Hungernde sitzen im selben Starbucks.
Der Antagonist der Kunstszene ist Hollywood mit seinem unstillbaren Hunger nach Künstlichkeit. Gnadenlos wird jede Oberfläche bis zur makellosen Perfektion aufpoliert. Auf Zelluloid festgehalten für Generationen an Kinobesuchern. Jean Harlow, Marilyn Monroe und Paris Hilton hochstilisiert und für Schönheit, Stil und Status gefeiert – Künstlichkeit in ihrer pursten Form. Am liebsten intravenös verabreicht.
Willkommen in der perfekten Plastikwelt, von der Barbie und Ken bis heute phantasieren. Mich reizt der Blick hinter diese Fassaden – rein in Ausstellungen bis hin zur zeitgenössischen Kunst. Meine Aufmerksamkeit gilt Rauschenberg, Rothko und Koons.
Glückwunsch L.A. – du bist zum Synonym für Kunst und Künstlichkeit geworden.
Eloy Martinez, Los Angeles, Kalifornien
Diese Kolumne erscheint jeden Freitag in gedruckter Form in der Zeitung „Der Rheintaler“.