Die Wüste lebt, Los Angeles blüht
Los Angeles liegt nicht bloss am Pazifischen Ozean, sondern auch mitten in der Wüste – rein geographisch betrachtet. Dies wurde mir bereits bei meinem ersten Aufenthalt hier – im Sommer 2010 – klar gemacht: Wassersparen, kurz duschen, Pflanzen und Rasen nur zweimal die Woche wässern und so weiter.
Jedoch hat sich die Situation drastisch verändert – leider nicht zum Guten. Wasserknappheit. Waldbrände. Hitzerekorde. Die Klimaerwärmung ist Fakt.
Dennoch merke ich bei Streifzügen durch die Stadt wenig davon – grüner Rasen und schlanke, haushohe Palmen wohin das Auge blickt. Besonders in den reicheren, wohlhabenderen Wohnquartieren sticht das knallige Grün besonders neben den breiten Asphaltstrassen hervor.
Die soziodemografische Schere zwischen Arm und Reich geht nicht bloss immer weiter auseinander, sie wird nun in Braun– und Grüntönen sichtbar. Stufenlose Übergänge die Realität.
Die stark extrovertierte amerikanische Konsumgesellschaft urteilt jedoch gnadenlos über jeden und jede, die sich den verschwenderischen Wasserexzessen entsagen. Jeder will mithalten und dem kalifornischen Hedonismus frönen.
Das Apartment wird im Hochsommer auf unter 20 Grad Celsius gekühlt, für die halbe Meile wird das Auto bewegt und von Mülltrennung hat man noch nie etwas gehört.
Trotz all der Schwarzmalerei wurden unter dem amtierenden Präsidenten bedeutende, zukunftsorientierte Veränderungen in der Klimapolitik erreicht. Es entwickelt sich in der Bevölkerung ein Bewusstsein für dieses neuartige Recycling oder gar fürs Wassersparen auch dank anderer Vegetation.
Die Wüstenbewohner müssen also ihre Wünsche nach Mehr doch nicht aufgeben; ein Hoch auf die Freiheit und den Kapitalismus. Die Metropole Los Angeles pulsiert selbst bei Hitzerekorden und bedrohlichen Waldbränden weiter. Die Grossstadt blüht als exotische Schöpfung in Mitten des ariden Klimas.
Um es mit dem Disney Dokumentarfilm von 1953 zu sagen: Die Wüste lebt!
Eloy Martinez, Kalifornien
Diese Kolumne erscheint jeden Freitag in gedruckter Form in der Zeitung „Der Rheintaler“.